Das Auto wird vernetzt – und autonom

N24- DieTransporter

Die Vision des autonomen, vernetzen Fahrens ist zum Greifen nah. Autos verbinden sich: mit der Umgebung, miteinander und mit dem Fahrer. Zugang wird wichtiger als Besitz. Software individualisiert das Erlebnis. Die Verwendung von Daten wächst exponentiell, und damit auch die Herausforderungen.

F015 © Daimler AG
© Daimler AG

Autonomes Fahren 2016

Die Vision ist klar: selbstfahrende, vernetzte Autos. Sie sind sicherer, sparen die Zeit des Fahrers und schonen auch noch Ressourcen. Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie dem Bevölkerungswachstum oder dem Klimawandel, spielt die Vernetzung von Fahrzeugen und der Infrastruktur eine zentrale Rolle. Die intelligente Vernetzung (und natürlich die E-Antriebe) hat das Potential, den Bedarf nach individueller Mobilität zu erfüllen, ohne die Erde in einer Blech- und Abgaslawine untergehen zu lassen. Wir werfen einen Blick auf den Stand der Entwicklungen und der Herausforderungen und wagen einen Blick in die Zukunft.

Die Technik ist inzwischen reif genug, ein Fahrzeug selbstfahrend von A nach B zu bringen. Als erster deutscher Hersteller ließ Mercedes eine S-Klasse von Mannheim nach Pforzheim fahren; Audi erprobt seinen Fortschritt in den USA; BMW ist zwischen Hauptsitz und Münchener Flughafen unterwegs. Doch vor allem Google, Tesla und Co. haben tausende Test-Kilometer auf dem Konto.

Tesla Interior
© Tesla Motors
F015
© Daimler AG

Tesla stellte 2015 seine Autopilotfunktion für die Autobahn vor, welche per Software-Update im Model S landete. Googles Ansatz mit dem fahrendem „Ei“ sieht nicht einmal Lenkrad oder Pedale vor.  Zur CES 2015 chauffierte auch bereits ein Audi A7 einige Journalisten selbstständig über eine 900 Kilometer lange Strecke im öffentlichen Verkehr. Das Gefährt überholte bei der Fahrt auch andere Autos ohne Einwirken des Fahrers, nur in der Stadt muss der Mensch ran. Eines der größten Ausrufezeichen setzte jedoch Mercedes-Benz mit der F 015 Studie: das Interieur gleicht einem mobilen Lebensraum oder viel eher einem digitalem Erlebnisraum. Willkommen in der fahrbaren Lounge!  
Connected Cars

Während selbstfahrende Autos noch nicht im normalen Straßenverkehr zu sehen sind, hat die Vernetzung und Digitalisierung zum erhöhten Fahrkomfort schon lange Einzug in die Branche gehalten. Die Vorreiterrolle in Deutschland sicherte sich BMW mit dem iDrive-Bediensystem sowie dem Head-up-Display. Schon 1994 punkteten die Münchner mit dem europaweit ersten fest eingebauten Navigationssystem im 7er. 21 Jahre später können Autofahrer über den iDrive-Controller bereits auf eine nie dagewesen Anzahl an Funktionen zugreifen und dabei sind wir noch am Anfang der Entwicklung.

Durch die integrierte SIM-Karte, welche heute in einer Vielzahl von BMW-Modellen zur Ausstattung zählt, erhält das Auto Zugang zum Internet und dadurch Zugriff auf eine Vielzahl an Apps und Services: Wetter, Nachrichten, Musikdatenbank oder Echtzeit-Verkehrsdaten. Connected Cars sind mobile Router, die mit anderen Conncected Cars und Geräten kommunizieren.

BMW_iDrive
© BMW AG

 

All die Neuerungen sorgen aber nicht nur für mehr Komfort, sondern erhöhen auch die Sicherheit. Sobald Crash-Sensoren einen Unfall registrieren, wird ein Notruf an das BMW-Callcenter abgesetzt und ein Mitarbeiter nimmt Kontakt zu den Insassen auf, um sich nach ihrem Zustand zu erkundigen. Gleichzeitig werden rettungsrelevante Daten zu Unfallart und -schwere übermittelt.

Autonomes Fahren, Konnektivität – daran arbeiten die größten Unternehmen der Welt mit immensen Investitionen. Doch es gibt auch Talente, die mit geringem Budget kostengünstige Alternativen entwickeln, wie der 26-Jährige Hacker George Hotz.

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Er verwendet nur Bauteile, die in Großserie hergestellt werden, wie die sechs Handykameras, die in seinem 2016er Acura ILX stecken. Sein System ist für die Autobahn ausgelegt und nicht für den chaotischen Stadtverkehr und doch gewann er Tesla-Boss Musks Aufmerksamkeit. In wenigen Monaten schon will er ein einwandfreies Fahrzeug in Musks Heimatstadt vorstellen.

Ungeklärte Fragen

Die Technologie ist das Eine. Um den Weg für die Connected Cars zu ebnen, wird sich die Branche aber genauso um Fragen zu Sicherheit, Datenschutz und Verantwortung in verteilten Systemen kümmern müssen.

Es ist paradox: Weil die Autos vernetzt sind, werden sie auch sicherer. Gleichzeitig entstehen neue Risiken. Denn gibt es die Connection nach außen, gibt es sie auch nach innen: Hacker könnten Bremse, Steuerung oder andere relevante Systeme manipulieren.

Connected Cars können zum unmittelbaren Sicherheitsrisiko werden, wenn sie wissentlich und in böser Absicht manipuliert werden. Andy Greenberg erfuhr dies am eigenen Leib, als der Motor seines Jeeps bei Tempo 110 ausging. Klimaanlage, Radio und Scheibenwischer spielten bereits vorher verrückt – folglich hatte er keine Kontrolle mehr über sein Auto und wurde zum Passagier in seinem eigenem Jeep – gehackt aus der Ferne über das Internet. Gut dass es sich dabei nur um ein Experiment handelte.

Außerdem geht es innerhalb des Sicherheitsthemas nicht nur um die Abwehr von Manipulationsversuchen, sondern auch um die Sicherheit der erfassten und übertragenen Daten. Wer hat wie darauf Zugriff und wie sicher und kontrollierbar ist das?

BMW autonomes Fahren
© AUDI

Überhaupt, die Daten. Ein immenser Schatz, an den viele wollen: Autohersteller, Serviceprovider, Infrastrukturanbieter, Versicherungen, die Polizei; um nur einige zu nennen. Die entscheidende Frage ist: Wem gehören die im Fahrzeug gesammelten Daten? Dem Fahrer, dem Besitzer, dem Hersteller, dem Provider? Diese Kontrolle der eigenen Daten muss klar getrennt und geklärt werden. Und das ist schwierig, zum Beispiel die Frage, ob der Eigentümer, der ja nicht unbedingt der Fahrer sein muss, überhaupt selber auslesen darf, wo das Fahrzeug unterwegs ist? Die Frage ist für Eltern interessant, deren Kinder frisch ihren Führerschein erlangt haben. Mietwagenfirmen und Unternehmen mit einer Fahrzeugflotte oder vielen Mitarbeitern im Außendienst werden sich für die Daten interessieren.

Die gesetzlichen Regelungen fehlen, weswegen sich die Hersteller bis auf Weiteres in einer Grauzone befinden, auch wenn sie bereits aus den Fahrzeugsystemen Informationen erhalten. Die Möglichkeit jedoch, diese zu nutzen und zu verwerten würde die Verkehrssicherheit vielleicht enorm erhöhen, wie es auch Versicherungen möglich sein könnte, vorsichtiges Verhalten mit besseren Konditionen zu belohnen.

Neben den Daten ist auch die Haftungsfrage ein essentieller Punkt. Was passiert, wenn ein Fahrzeugeigentümer trotz Vernetzung und autonomen Fahren in einen Unfall gerät? In erster Linie haftet immer der Fahrer, doch in wie weit wären die Hersteller und externe Dienstleister mit eingeschlossen? Volvo wagt sich als erster Hersteller nach vorne und will bei Unfällen seiner selbstfahrenden Autos die volle Haftung übernehmen.

Wer gewinnt: Die Alten oder die Neuen?

Die IT-Giganten Apple und Google drängen im Augenblick mit verschiedenen Software-Systemen in den bestehenden Markt. Ihr Kalkül ist: Bereits jetzt so viel connecten wie möglich und im Hintergrund an der eigenen Revolution arbeiten. So ist Google Maps heute in vielen Autos als Navigationssystem eingebaut, was dem Suchgiganten schon einen dicken Fuß in der Tür beschert hat. Dass es sich bei Navigation nicht um nettes Beiwerk, sondern um eine Schlüsseltechnologie handelt, haben die deutschen Hersteller nun auch erkannt und sich mit Here einen Spezialisten zugelegt, der ihnen die Kontrolle über diesen Bereich zurück geben soll.

Apple konzentriert sich zur Zeit noch darauf, seine Geräte optimal mit dem Auto zu vernetzen. Das bekannte iOS Interface wird so auch zur Steuerzentrale im Auto. Viele traditionelle Auto-Hersteller nutzen eigene Oberflächen, jedoch enttäuschen diese oft in Sachen Usability. Apple und Google hingegen sind Experten auf dem Feld der Benutzerfreundlichkeit und haben die Möglichkeit durch die vertraute Bedienweise der Smartphone ihre Kunden leichter an den Markt heranzuführen.

Interfaces, Navi und Entertainment sind die Vernetzungs-Felder von heute. Die viel grundlegendere Frage für die Hersteller lautet, welche Software generell in ihren Autos laufen soll? Denn während die führenden Hersteller eigene IT Systeme entwickeln, könnten Autobauer aus der zweiten Reihe die günstigeren Komplettsysteme von Android / Google nutzen. Auch wenn damit ein mögliches datenbasiertes Geschäftsmodell aus der Hand gegeben wird. Der Kampf um die Controller wird daher auf drei Feldern stattfinden:

HMI (Human-Machine Interface): Das Alleinstellungsmerkmal der Automobilhersteller und die Möglichkeit ihre Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich zu behaupten – die integrierte Bedienung von Apps und Diensten im Auto (Head-up-Display, Touchpads etc.).

Echtzeit-Fahrzeugdaten: Die von den Auto-Sensoren anonymisierten Daten rund um das Fahrzeug zur Nutzung und Zustand des Autos. Besonders relevant für Versicherungs- und Wartungsleistungen und somit weitere Umsätze.

Geoinformationen in Echtzeit: Die aktuellen Daten zur Verkehrslage bilden zusammen mit den Sensordaten die Voraussetzung für autonomes Fahren, ebenso für ortsspezifische Dienste und Apps.

Schlussendlich müssen die Autohersteller aufpassen, dass sie die Hoheit des Wandels nicht den Internetunternehmen überlassen. Wenn sie es frühzeitig schaffen, langfristige Regeln zu vereinbaren und eigene Plattformen aufzubauen, bleibt die Handlungsfähigkeit bei der Vernetzung der Fahrzeug- und Consumer-Devices erhalten. Gelingt dies nicht, könnten die Connected Cars nicht von den Herstellern, sondern von den Anbietern der Consumer-Devices geprägt werden.

Connected Cars: eine neue Ära

F015
© Daimler AG

Wir sind bereits mitten im Wandel und in den nächsten fünf Jahren werden sich die Autos in großen Schritten automatisieren und vernetzen. Mercedes-Chef Dieter Zetsche sieht Mercedes-Benz im Wandel vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter. Laut der Studie „Connected Car Services“ sind 2020 bereits 80% der Neuwagen vernetzt. Elektroautos und Car-Sharing gewinnen Bedeutung. Die Attraktivität und Begehrlichkeit der großen Automarken nimmt hingegen ab.

Nimmt man alles zusammen (Connected Cars, Elektroautos und Car-Sharing) entsteht eine realistische Vision: Selbstständig fahrende, miteinander verbundene Autos, zu denen sich jeder nach den aktuellen Bedürfnissen (Kinderauto? Einkaufsauto? Businessauto? Langstreckenauto?) Zugang besorgen kann und dann auf der Fahrt die Zeit sinnvoll in einem individuellen Umfeld nutzen kann. Ob miteinander oder alleine, entspannt oder produktiv, die autonomen und Connected Cars von morgen vereinen alle Aspekte und verleihen der Zeit im Auto eine neue Qualität.

Die Zukunft der individuellen Mobilität

In einer nicht allzu fernen Zukunft wird keiner mehr ein eigenes Auto besitzen. Neue Systeme wie Flatrate-Modelle haben sich für eine noch freiere Nutzung der Fortbewegungsmittel etabliert. Altbekannte Haftungsfragen aus 2016 sind geklärt und Fahrzeuge vernetzen sich nicht nur untereinander, sondern auch mit ihrer Umwelt (Ampeln, Schranken, etc.). Dadurch wird die Effizienz der Autos maximiert: Unfälle gibt es keine mehr und durch den geringen Verbrauch und den optimierten Fahrfluss fahren sie maximal effizient. Die individuelle Mobilität: sicher, umweltfreundlich und frei nutzbar – ob als Büro, Transportmittel oder als mobilen Erlebnisraum. Minority Report kann einpacken: unsere Zukunft ist innovativer!

Quellenverzeichnis:

Computerwoche, Connected Cars Definition, 08.01.2015
Michael Gebhard, Zeit Online, 08,01.2016
Felix Reek, Süddeutsche, Autopilot Tesla, 08.01.2016
Mercesdes-Benz „Luxury in Motion“, 08.01.2016
Stern 08.01.2016
Sebastian Schaal, Wirtschafts Woche 08.01.2016
Marco Prucha, Computerwoche, 08.01.2016
Haftungsfragen, Spiegel 25.01.2016
Sebastian Schaal, Wirtschaftswoche 08.01.2016
Bearingpoint 08.01.2016
Scott Frank, iot-now 08.01.2016
Welt 08.01.2016
Thomas Grünweg, Spiegel – 08.01.2016